Rückblick: Der Staat und die Religion

Gemeinsam mit dem Haus der Religionen e.V. hatte der Landesverband Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen zur Diskussionsrunde in die Südstadt Hannovers eingeladen. Zu Gast auf dem Podium waren: Firouz Vladi von der Schura Niedersachsen, dem Landesverband der Muslime; Jürgen Steinecke vom Humanistischen Verband Niedersachsen sowie Dr. Jens Petersen, Referent für Steuerfragen bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Moderation übernahm die stellvertretende Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Sybille Mattfeldt-Kloth.

Die Trennung von Kirche und Staat sei in der Verfassung verankert, sagte Dr. Jens Petersen, Referent für Steuerfragen bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Beginn der Podiumsdiskussion. Diese These stellten sowohl Besucher_innen als auch die beiden weiteren Referenten im Laufe der Veranstaltung immer wieder in Frage.

Trennung von Kirche und Staat

"An Karfreitag darf ich nicht tanzen", warf Jürgen Steinecke vom Humanistischen Verband Niedersachsen ein. Die Verteilung gesetzlicher Feiertage beispielsweise in der Bundesrepublik zeige, dass die Kirchen weiterhin Einfluss auf politische Entscheidungen und somit auf alle in Deutschland lebende Bürgerinnen und Bürger habe. Man stelle sich vor, ein muslimisches Paar wolle am Karfreitag heiraten, ergänzte Firouz Vladi von der Schura Niedersachsen.

Mitgliedsbeiträge und Kirchensteuer

Am meisten Diskussionsbedarf seitens des Publikums gab es beim Thema Mitgliedsbeiträge bzw. Kirchensteuer. "Jede Gemeinschaft kann sich so finanzieren, wie sie es für richtig hält", erklärte Petersen einleitend. Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bedienten sich hierfür der deutschen Steuerbehörden, die für ihre Arbeit auch eine entsprechende Vergütung erhielten.

Grundsätzlich hätten auch der Humanistische Verband sowie die Schura Niedersachsen die Möglichkeit, Mitgliedsbeiträge über die Steuerbehörden einziehen zu lassen.

Der Humanistische Verband sei eine anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts und habe somit rechtlich die Möglichkeit, seine Mitgliedsbeiträge über die Steuerbehörde einziehen zu lassen. Diese Dienstleistung nicht in Anspruch zu nehmen sei aber eine bewusste Entscheidung des Verbands: "Es ist nicht Aufgabe des Staates", erklärt Steinecke, Mitgliedsbeiträge für die Kirchen einzuziehen. Somit widerstrebe es auch den eigenen Prinzipien.

Die Schura Niedersachsen sei derzeit keine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dafür müssten bestimmte Kriterien erfüllt sein, erklärte Vladi. Zum Beispiel müsse dafür eine Landesgeschäftsstelle eingerichtet werden mit Geschäftsführer_in und Mitarbeiter_innen. Zur Zeit wird die Arbeit von Ehrenamtlichen übernommen. Grundsätzlich seien Muslime und muslimische Gemeinden in Deutschland nicht so stark institutionalisiert bzw. organisiert wie das in Deutschland für religiöse Gemeinschaften üblich sei. Dies hänge auch mit dem Wesen des Islam zusammen, erklärte Vladi, man möchte sich die individuelle Freiheit bewahren.

Muslimische Gemeinden, die in Moscheevereinen organisiert sind, finanzieren sich in Niedersachsen hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, ehrenamtliche Arbeit und Spenden. Damit werden die laufenden Kosten gedeckt. Bis auf die DITIB-Gemeinden (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.), die Zuwendungen vom türkischen Staat erhalten, haben sich die Gemeinden gemeinsam gegen die Annahme von Spenden aus dem Ausland entschieden, sagte Firouz Vladi. Solche Spenden unter anderem aus Abu Dhabi beispielsweise zögen im Zweifel Bedingungen mit sich. Unter anderem wolle man sich dem Einfluss von Salafisten bewusst entziehen.

Mitgliedsbeiträge in Zukunft ähnlich wie die christlichen Kirchen in Deutschland über eine Steuer einzuziehen, lehnten Muslim_innen nicht kategorisch ab. Zur Zeit gebe es eine noch offene Diskussion über die Vereinbarkeit einer Art Kirchensteuer mit dem Islam, erklärte Vladi: Im Islam gelte für Gläubige als oberste Pflicht das Gebet. Dieses stehe nicht alleine, sondern sei verknüpft mit der Verpflichtung, einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten; und zwar für diejenigen, die selbst kein Auskommen sichern können: Kranke oder alte Menschen sowie Kinder. Diskutiert wird, ob man Steuern, über die zahlreiche Sozialleistungen in Deutschland finanziert werden, als derartige Solidaritätsabgabe interpretieren könne. Bisher sei das Ergebnis noch völlig offen.

Weiter kontrovers diskutiert wurden die Aufnahme in die Kirche bereits durch die Taufe schon vor der Religionsmündigkeit mit 14 Jahren und dadurch mögliche Ansprüche der Kirchen auch an Minderjährige sowie die Legitimation von so genannten Staatsleistungen.

Nach zwei Stunden blieben nach zahlreichen beantworteten Fragen ebenso viele offen, so dass eine weitere Veranstaltung zum Thema Kirche und Staat für das kommende Jahr auf dem Plan steht.