Niedersachsen Grenzenlos: Wir stehen für Bleiberecht und Menschenrechte

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen vom 19./20.6.2021 in Emden

Menschenrechte gelten auch für Frontex

Immer wieder wird über völkerrechtswidrige Pushbacks durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex und/oder in Kooperation mit nationalen Grenzpolizeien berichtet. Im Herbst 2020 veröffentlichten das ARD-Politikmagazin “Report Mainz” und “Der Spiegel” eine gemeinsame Recherche, der zufolge Frontex-Beamt*innen von illegalen Pushbacks der griechischen Küstenwache wussten und selbst daran beteiligt waren. In mindestens einem Fall war die deutsche Bundespolizei involviert. An den Einsätzen von Frontex sind auch Polizeibeamt*innen aus Niedersachsen beteiligt. So waren zwischen 2020 und 2021 27 Polizist*innen aus Niedersachsen in Griechenland für Frontex im Einsatz. Insgesamt waren in diesem Zeitraum 41 Landespolizist*innen an Frontex-Einsätzen beteiligt. Gleichzeitig ist noch keine Stelle der bis zum 5. Dezember 2020 einzustellenden 40 Grundrechtsbeobachter*innen besetzt, die die Arbeit von Frontex kontrollieren sollen. Seit 2005 ist ein massiver Anstieg des Budgets von Frontex von 6 Millionen auf 364 Millionen in 2020 zu beobachten. Damit einher gehen deutliche Aufstockungen bei Personal und Ausrüstung der Grenzschutzagentur, inklusive einer im Aufbau befindlichen ständigen Reserve von 10.000 Frontex-Einsatzkräften.

Wie viele Bundes- oder Landespolizist*innen für Frontex insgesamt abgestellt wurden oder aktuell abgestellt sind, ist nicht bekannt und wird von der Bundesregierung geheim gehalten. Laut Antwort auf eine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion (BT-Drs. 19/28043) sind im Jahr 2021 insgesamt 826 Einsatzkräfte aus Deutschland für Frontex zu stellen. Für die ständige Reserve sollen im Jahr 2027 1052 Einsatzkräfte aus Deutschland entsandt werden.

Aufgrund nicht aufgeklärter Völkerrechts- und Menschenrechtsverstöße oder Beteiligung von Frontex bzw. Kenntnis von völkerrechtswidrigem Verhalten durch nationale Grenzpolizeien und Unterlassen von Hilfeleistung durch Frontex-Beamt*innen beschließen wir

  • Die gegen Frontex vorgebrachten Vorwürfe müssen mit einer unabhängigen Untersuchung vollumfänglich aufgeklärt und entsprechend geahndet werden. Ebenso ist sicherzustellen, dass sich deutsche Beamt*innen in Frontex-Einsätzen nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligen. Solange das nicht sichergestellt werden kann, wird Niedersachsen keine Landesbediensteten in Frontex Einsätze entsenden;
  • Stopp der Frontex-Kooperation (Ausrüstung): Wir setzen uns dafür ein, dass Frontex solange nicht durch die Bundesregierung oder deutsche Firmen bei der Ausrüstungsbeschaffung unterstützt wird, bis die Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen bei Frontex-Einsätzen abgeschlossen ist. Langfristiges Ziel ist eine Abrüstung von Frontex;
  • Sensibilisierung und Weiterbildung: Die Weiterbildung in den Bereichen Völkerrecht und Menschenrechte von niedersächsischen Beamt*innen ist vor Entsendung zu gewährleisten und erheblich zu verbessern. Gleichzeitig müssen anlasslose Supervisionen der niedersächsischen Beamt*innen, die an Frontex-Einsätzen teilnehmen, strukturell verankert und als Standard eingefordert werden.
  • Transparenz und Compliance: Die Strukturen zur internen anonymen Beschwerde auf europäischer (direkte Weiterleitung von Beschwerden an den Frontex-Grundrechtsbeauftragten) und nationaler Ebene müssen erheblich verbessert werden, sodass eine effektive und unabhängige Kontrolle von Fehlverhalten möglich ist. Die Besetzung offener Positionen von Grundrechtsbeobachter*innen ist mit höchster Priorität voranzutreiben.
    Zudem muss ein unabhängiger, transparenter und effektiver Monitoring-Mechanismus zur externen Evaluierung aller Frontex-Aktivitäten eingerichtet werden. In diesem sind auch zivilgesellschaftliche Akteure einzubinden. Frontex muss außerdem zu einer erweiterten, transparenten und proaktiven Rechenschaftspflicht mit dem Ziel einer verstärkten demokratischen Kontrolle auch durch ein parlamentarisches Kontrollgremium im Europaparlament verpflichtet werden.

Niedersachsen als sicherer Hafen

Niedersachsen soll ein sicherer Hafen für geflüchtete Menschen sein. Dafür beschließen wir:

  • Niedersachsen soll sicherer Hafen werden und damit die Bereitschaft erklären, auch über die Verteilquote des Bundes hinaus mit einem eigenen Landesaufnahmeprogramm Menschen aufzunehmen.
  • Wir lehnen Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete konsequent ab, insbesondere nach Syrien und Afghanistan. Deutschland soll geflüchteten Menschen auch in Zukunft eine neue und sichere Heimat sein.
  • Ebenso lehnen wir das Konstrukt der sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ weiterhin ab.
  • Wir setzen uns ein für die Aufnahme von Flüchtlingen und fordern die umgehende Evakuierung der Flüchtlingslager innerhalb der EU und an den europäischen Außengrenzen.
  • Wir wollen eine schnelle und unkomplizierte Teilhabe von Geflüchteten. Dazu setzen wir uns für eine dezentrale Unterbringung ein, fördern Sprach- und Weiterbildungskurse sowie Betriebe bei der Ausbildung von Geflüchteten. Ebenso ist der Zugang zu öffentlichen Bildungsangeboten, zur Schule, Kindertagesstätten und weiteren Fördereinrichtungen für geflüchtete Menschen sicherzustellen und zu verbessern.
  • Wie wichtig Gesundheitsversorgung ist, zeigt gerade jetzt die Pandemie: Alle geflüchteten Menschen, die bei uns leben, müssen ohne Hürden Zugang zum Gesundheitssystem bekommen, deshalb wollen wir die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
  • Niedersachsen soll sich aktiv für eine erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans des Europarats zum Schutz von insbesondere schutzbedürftigen Personen im Kontext von Migration und Asyl in Europa (2021-2025) einsetzen und die notwendige Kooperation Deutschlands mit anderen Mitgliedsstaaten vorantreiben.

Gleichberechtigte Mitbürger*innen

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wer in Deutschland geboren wird, soll den Anspruch erhalten, deutsche*r Staatsbürger*in zu werden, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Denn Einwanderung trägt ganz entscheidend zum Wohlstand und der Zukunftsfähigkeit Niedersachsens und Deutschlands bei. Deshalb setzen wir uns für folgende Verbesserungen ein:

  • Ein modernes Einwanderungsgesetz, das für unsere neuen Mitbürger*innen klare und transparente Regelungen schafft. Darüber hinaus wollen wir uns auf Bundesebene für die doppelte Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Optionszwangs einsetzen.
  • Eine offene Einbürgerungspolitik, Mehrstaatigkeit muss hierbei selbstverständlich sein.
  • Das Recht, an Kommunalwahlen teilzunehmen, für Mitbürger*innen, die keine EU- Bürger*innen sind und noch nicht eingebürgert wurden. Jede*r, der*die in Deutschland lebt, soll in ihrer*seiner Kommune, die Möglichkeit erhalten, wählen zu können.

 

 

Landesdelegiertenkonferenz (LDK) von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen vom 19./20.6.2021 in Emden