Mehr regionale Bürgerenergie und Ökostrom statt Ausbau-Deckel und Klimaschutz-Bremsen

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Niedersachsen am 28. und 29. Mai 2016 in Gifhorn

Auf der Klimakonferenz in Paris hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, die Überhitzung der Erde auf 2 Grad, möglichst sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen. Damit dieses Abkommen wirklich zu einem Wendepunkt im Kampf gegen die Klimakrise wird, muss auch Deutschland seine Klimaschutzanstrengungen erheblich steigern. Das geht nur mit uns GRÜNEN.

Statt eine Vorreiter-Position einzunehmen, steht die Bundesregierung auf der Bremse. Sie deckelt seit Jahren den Ausbau der Erneuerbaren Energien durch Obergrenzen. Die Umstellung auf Ausschreibungsmodelle drängt kleine, lokale Akteure der Bürgerenergiewende aus dem Markt. Die aktuellen Pläne der Großen Koalition für das EEG 2016 bedrohen den Ausbau der kostengünstigen und effizienten Windenergie an Land und führen die Energiewende in die Sackgasse.

Wir GRÜNE wollen diese Vollbremsung der Energiewende beim Ökostromausbau nicht mitmachen. Wir wollen 100 % Klimaschutz und 100 % Erneuerbare Energien.

Wir brauchen einen ambitionierten Ausbaupfad für Ökoenergie, der längerfristig klare Rahmenbedingungen für den Markt vorgibt, auf die sich die Bürger*innen, die Unternehmen und die Politik in Kommunen und Land verlassen können.

Die niedersächsischen GRÜNEN fordern die Bundesregierung auf:

  1. Das Pariser Klimaschutzabkommen schnellstmöglich zu ratifizieren, den nationalen Klimaschutzplan anzupassen und den Zahlungsverpflichtungen für den Klimafonds vollumfänglich nachzukommen.
  2. Das Ausbauziel für Erneuerbaren Strom in der Bundesrepublik für 2025 auf mindestens 60% zu erhöhen und schnellstmöglich einen Ausstiegsplan aus der besonders klimaschädlichen Kohleverstromung vorzulegen.
  3. Planungssicherheit für den weiteren Ausbau der erneuerbarer Energien über 2016 hinaus zu schaffen und dabei für klare, transparente und faire Rahmenbedingungen zu sorgen, die auch kleinen regionalen Akteuren eine Chance geben.
  4. Bei Bürgerenergieprojekten an der bewährten Einspeisevergütung für Erneuerbare Energien festzuhalten. Hilfsweise die von der EU erlaubte Ausnahmereglung für kleine Projekte (bis 18 MW bei Wind und 1 MW bei PV) in die EEG-Novelle 2016 aufzunehmen, mit der sie von der Ausschreibung befreit werden.
  5. Den 2014 zugesagten Nettoausbaupfad für Onshore-Windenergie von jährlich 2.500 Megawatt auch weiterhin abzusichern und Repowering-Maßnahmen nicht auf diese Menge anzurechnen.
  6. Bioenergieanlagen wieder zu fördern, soweit sie umweltverträglich ohnehin anfallende organische Reststoffe verarbeiten und nicht der weiteren „Vermaisung der Landschaft“ Vorschub leisten.
  7. Im Sinne eines Divestments alle öffentlichen Gelder aus Investitionen in der fossilen Energie- und Rohstoffbranche abzuziehen.

Die GRÜNEN Abgeordneten in Bund und Land und die Minister*innen werden aufgefordert, sich weiterhin dafür einzusetzen.

Begründung

Der Pariser UN-Klimagipfel endete im Dezember 2015 mit einem unerwartet guten Ergebnis für den weltweiten Klimaschutz.

  • Die Weltgemeinschaft will den globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad.
  • Ab Mitte des Jahrhunderts dürfen nur noch so viele Treibhausgasemissionen entstehen, wie die Biosphäre aufnehmen, also neutralisieren kann. Damit ist das Ende der fossilen Energieträger (Kohle, Öl und Gas) eingeläutet.
  • Für diese „Decarbonisierung“ und die Bewältigung der Klimakrise soll es einen Klimafonds geben, in den die für die Klimakrise maßgeblich verantwortlichen Industrieländer jährlich 100 Mrd. USD einzahlen, damit arme Länder entsprechende Maßnahmen finanzieren können.
  • Über einen „Ambitionsmechanismus“ soll der Grad der Zielerreichung durch die UN alle fünf Jahre überprüft werden. Dazu müssen alle Länder ihre nationalen Klimaschutzpläne vorlegen und gegebenenfalls anpassen.

Mit den in Paris veröffentlichen nationalen Plänen sind diese Ziele bislang nicht zu erreichen. Vielmehr ist die Welt auf einem 3-Grad-Kurs, der uns direkt in die Klimakatastrophe führt. Entsprechend bewertet die Heinrich-Böll-Stiftung den Pariser Gipfel: „Weniger als nötig, mehr als erwartet. Es liegt an uns, ob das Pariser Klimaabkommen zu einem historischen Wendepunkt wird.“ Das geht offensichtlich nur mit uns GRÜNEN.

EEG-Reform bedroht Bürgerenergie

Das von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000  verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist ein einzigartiges und weltweit viel kopiertes Erfolgsmodell für den Ausbau Erneuerbarer Energien und den Klimaschutz. Die Große Koalition will nun das bisherige Modell der festen Vergütung auf ein wettbewerbliches Ausschreibungsmodell umstellen, um – so heißt es– den Beihilfe-Leitlinien der EU zu genügen.

Wie viele Kritiker*innen sehen wir GRÜNE darin einen Angriff auf die Akteursvielfalt bei den Erneuerbaren Energien. War die alte, fossile Stromwelt von wenigen Großkonzernen dominiert, beträgt deren Anteil bei den Erneuerbaren nur noch 12 %. Die Hälfte der installierten Leistung von Onshorewind, Photovoltaik und Biomasse geht zurück Anlagen von einzelnen Bürger*innen, Landwirten, Energiegenossenschaften oder kleinen und mittleren Unternehmen aus der Region. Insbesondere Stadtwerke haben einen großen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren geleistet.

Für uns GRÜNE ist das vorgelegte neue Ausschreibungsmodell untauglich und gefährdet die Energiewende. Die hohen Zugangshürden benachteiligen die regionalen Akteure, weil diese weniger Markterfahrung haben und/oder nicht von Größeneffekten profitieren können. Ausschreibungen sind zudem mit bürokratischem Mehraufwand verbunden und steigern die finanziellen Projektrisiken.

Wir GRÜNE fordern, dass kleine, lokale und kommunale Akteure nicht aus dem Markt verdrängt werden. Denn Dezentralität, Akteursvielfalt und Bürgerbeteiligung sichern die nötige Akzeptanz für Klimaschutz und Energiewende. Dort wo Bürgerinnen und Bürger, Stadtwerke und regionale Unternehmen den Ausbau der Erneuerbaren aktiv mitgestalten und finanziell an den Chancen der Energiewende beteiligt sind, werden Akzeptanz und Unterstützung befördert.

Windenergie an Land zum Lückenbüßer degradiert?!

Die EEG Reform bedroht zudem massiv die Windenergie, die Energie des Nordens. Ausgerechnet die Windenergie an Land, die auch im Vergleich mit fossilen Kraftwerken kostengünstigste Form der Stromerzeugung, soll zum Lückenfüller verkommen. Wind-Onshore soll nur noch dann gefördert werden, wenn Wind-Offshore und Photovoltaik ihre Fördervolumen nicht ausschöpfen.

Dabei orientiert sich der Entwurf am großkoalitionären Ökostromziel eines 40 bis 45%-Anteils bis 2025. Das aber ist viel zu knapp bemessen. Damit würde der Ausbau schon in wenigen Jahren gestoppt und die Pariser Klimaziele verfehlt.

Damit bricht der Bund auch Zusagen, die 2014 als Kompromiss zwischen Bund und Ländern ausgehandelt wurden. Dazu gehörte ein jährlicher Wind-Onshore-Ausbaudeckel von netto 2500 MW Zubau jährlich. Unter Berücksichtigung von Repowering wären demnach 4400 MW brutto möglich. Heute soll diese Zusage nun nicht mehr gelten! Damit stehen ausgerechnet Repowering-Projekte trotz höherem Aufwand in direkter Konkurrenz zu Neu-Projekten. Ein Wettbewerb, der Repowering benachteiligt – absurd.

Landesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Niedersachsen am 28. und 29. Mai 2016 in Gifhorn