Gegen Konzernjustiz und das Schleifen von Umwelt- und Sozialstandards – CETA ablehnen!

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode

Der Vertragstext zum Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen
der EU und Kanada ist laut Angaben der EU-Kommission ausverhandelt. Momentan
streitet die Große Koalition in Berlin darüber, ob und in welchen Bereichen sie kleinere
Nachbesserungen erreichen will. Große Änderungen sind aber nicht mehr zu erwarten.
Getrieben von den sehr fragwürdigen Versprechen von Wachstum, Jobs und Wohlstand
geraten bei CETA die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Umweltund
Klimaschutz sowie der Rechtsstaat unter die Räder.
CETA ist dabei die Blaupause für TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership).
Die Verhandlungsergebnisse zwischen der EU-Kommission und Kanada lassen nichts
Gutes auch für die Verhandlungen mit den USA über TTIP ahnen. Vor allem die Form
der Verhandlungen, im Hinterzimmer und ohne Öffentlichkeit, verhindert eine
wirksame Intervention durch die Zivilgesellschaft. Wir fordern, dass CETA und TTIP als
gemischte Abkommen behandelt werden und so nationale Parlamente an den
Entscheidungen beteiligt werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen kritisieren deswegen scharf die Entscheidung
der Europäischen Kommission, die europäische Bürgerinitiative zum Stopp von TTIP und
CETA von 230 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 21 EU-Ländern nicht
zuzulassen und unterstützen politisch das Bündnis bei ihrer Klage vor dem Europäischen
Gerichtshof und dem Sammeln von Unterschriften gegen TTIP und CETA.

Keine Klageprivilegien für Konzerne – ISDS aus CETA streichen!

Besonders besorgniserregend sind die bereits in CETA enthaltenen und für TTIP
geplanten sogenannten Investor-Staats-Schiedsgerichtsklagen (ISDS). Hier werden
durch Konzerngerichte in Hinterzimmern demokratische Entscheidungen in Frage
gestellt und rechtsstaatliche Verfahren umgangen.

In diesen privaten Gerichten sollen Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten
verhandelt werden. Immer dann, wenn ein Investor glaubt eine Entscheidung, zum
Beispiel zu schärferen Umweltstandards, führe zu Verlusten, hat er die Möglichkeit auf
Kompensation zu klagen. Diese Schiedsverfahren sind intransparent, teuer und
beschränken die Gestaltungsspielräume von Kommunen, Bundesländern und ganzen
Staaten. Kanada und die Europäische Union sind funktionierende Rechtsstaaten, die
ausreichenden Rechtsschutz für Unternehmen gewährleisten. Neben der Ablehnung
von Klageprivilegien für Konzerne vor Geheimgerichten in CETA sind die enthaltenen
Regelungen und Definitionen zum Investitions- und Investorenbegriff sehr weit gefasst.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen lehnen die Regelungen zu Investor-Staats-
Schiedsgerichtsklagen bei CETA entschieden ab.

Umwelt- und VerbraucherInnenschutzstandards erhalten!

Ziel der Handelsabkommen ist unter anderem die Angleichung von Standards, um für
beide Seiten schnell neue Märkte zu öffnen. Dabei besteht die Gefahr, dass Umwelt-,
Sozial- und VerbraucherInnen-schutzstandards sowie ArbeitnehmerInnenrechte auf das
jeweils niedrigste Niveau angepasst werden.

Im Ergebnis könnte durch TTIP und CETA bald Gentechnik auf niedersächsischen
Feldern erlaubt sein. Die Landwirte stünden plötzlich im Preiskampf mit der
Agroindustrie der USA. Fracking könnte schneller Realität werden und ohne gesetzliche
Schranken durch die Hintertür ermöglicht werden. Aber auch im Kultur- und
Medienbereich drohen große Probleme. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der
Filmsektor, der Buchmarkt und die öffentliche Kulturförderung sind in Gefahr. Im
Arbeitsrecht könnten die Abkommen negative Folgen für die Vereinigungsfreiheit, also
dem Recht zur Gründung von Gewerkschaften und
ArbeitnehmerInnenschutzsstandards, haben.

In vielen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge droht durch die
Handelsabkommen eine Privatisierung durch die Hintertür. Vor allem in den Bereichen
der Abfallentsorgung, des ÖPNV und der sozialen Dienstleistungen droht die Gefahr,
dass die Kommunen ihre Gestaltungshoheit verlieren.

Fairer Handel statt bilateraler Abkommen!

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen treten für einen fairen Welthandel ein. Es
geht um eine sozial-ökologische Solidargemeinschaft. Soziale und ökologische
Standards müssen weltweit erhöht und nicht abgesenkt werden. Besonders die
Interessen der Menschen und der Staaten im globalen Süden müssen gewahrt bleiben.
An einer neuen Handelsordnung müssen alle Betroffenen gleichberechtigt mitarbeiten
und mitbestimmen können.

Es geht nicht nur um ein Höher, Schneller, Weiter, um ein möglichst hohes
Bruttoinlandsprodukt und eine möglichst gute Exportbilanz. Ein fairer Welthandel hat
vorrangig zum Ziel, einen Beitrag zur Verringerung von Armut, Ungleichheit und
Umweltzerstörung zu leisten. Deswegen stellen wir uns gegen den grenzenlosen
Verdrängungswettbewerb und setzen auf Kooperation. Diesen Ansprüchen an einen
fairen Welthandel genügen weder CETA noch TTIP.

Deswegen lehnen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen die
Verhandlungsergebnisse zu CETA ab. Die laufenden Verhandlungen zu TTIP müssen
gestoppt werden. Es braucht neue Verhandlungsmandate mit dem Ziel, in einem
multilateralen Rahmen eine faire Welthandelsordnung herzustellen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern daher:

  • Transparenz und Öffentlichkeit der Verhandlungen – Raus aus den
    Hinterzimmern
  • Beteiligung der nationalen Parlamente und der Länderparlamente –
    demokratische Legitimation sicherstellen
  • Keine Konzernjustiz durch Investor-Staats-Schiedsgerichtsklagen –
    Rechtsstaatlichkeit und Demokratie schützen
  • Soziale und ökologische Standards erhalten und verbessern – Hart erkämpfte
    Standards in Niedersachsen und Europa bewahren, nicht schleifen
  •  Keine Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge durch die Hintertür –
    Kommunale Gestaltungshoheit in Bereichen wie Abfall, ÖPNV,
    Wasserversorgung und soziale Dienstleistungen erhalten
  •  Kulturelle Vielfalt sichern – Gefährdung der Errungenschaften und
    Förderinstrumente im europäischen Kultur- und Mediensektor verhindern
  •  ArbeitnehmerInnenrechte sichern – Soziale Standards in Europa weiterentwickeln
    statt aufweichen

Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode