Alternativen zu Neubauvorhaben vorantreiben!

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist in seiner aktuellen Form ein nicht
finanzierbares Wunschkonzert aller Bundesländer für neue Autobahnen und
Fernstraßen. Rot-Grün ist in Niedersachsen zu Recht mit dem Ziel angetreten, alle für
dieses Land angemeldeten Vorhaben auf ihren verkehrlichen Nutzen, den mit dem Bau
verbundenen naturräumlichen Belastungen und den finanziellen Kosten kritisch zu
hinterfragen und eine umfassende und transparente Öffentlichkeitsbeteiligung bei
Verkehrsprojekten durchzuführen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine ökologische und soziale Wende im
Verkehrsbereich. Vorrang muss eine Förderung ökologischer Verkehrsformen und
nachhaltiger Mobilität haben. Unser Ziel ist die Stärkung des Öffentlichen
Personenverkehrs und die weitere Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene und
Wasserstraßen.

Kein Artenschutz für Neubauprojekte

Die unter Schwarz-Gelb in Niedersachsen geplanten Autobahnen und Fernstraßen sind
nicht nur umwelt- und klimapolitisch die falsche Antwort auf die Herausforderungen
zukünftiger Mobilität, sondern sind auch volkswirtschaftlich nicht vertretbar.

Während auf der einen Seite die ursprünglich angesetzten Kostenkalkulationen nicht
mehr zu halten sind, ist der verkehrliche Nutzen der aktuell in Niedersachsen
diskutierten Großvorhaben wie A39, A20, A33 sowie E233 offensiv in Frage zu stellen.
Die aktuellen Berechnungen des Bundesrechnungshofes machen dies deutlich: Alleine
für die im Zuge der Küstenautobahn (A20) geplante Elbunterführung ist mit einer mehr
als 60prozentigen Kostensteigerung zu rechnen. Demgegenüber müssen die erwarteten
Verkehrsströme selbst nach den Prognosen des Bundesverkehrsministeriums nach unten
korrigiert werden.

Die gesammelten Erfahrungen und eindeutigen Analysen des Bundesrechnungshofes
zeigen auch bei Öffentlichen-Privaten Partnerschaften (ÖPP) im Fernstraßenbau klar
auf, dass das eine milliardenschwere Verschwendung von Steuergeldern und eine
Umgehung der Schuldenbremse ist. Die ÖPP-Projekte werden immer deutlich teurer als
der konventionelle öffentliche Straßenbau. Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen
lehnen ÖPP beim Neu- und Ausbau von Bundesstraßen und Autobahnen entschieden
ab.

Für uns Grüne in Niedersachsen ist klar: Teure Neubau-Prestigeobjekte dürfen keinen
Artenschutz genießen. Daher müssen alle Neubauvorhaben auf den Prüfstand.

Alternativen nutzen und weiter entwickeln

Statt in neue Autobahnen zu investieren, muss der Bestandserhalt der bestehenden
Infrastruktur im Vordergrund stehen. Wo ein tatsächlicher nachgewiesener Bedarf
besteht, geht ein Ausbau vorhandener Infrastruktur vor Neubau. Mit dem starren
Festhalten an einzelnen Neubaustrecken wird aktuell eine sachliche Debatte darüber
versperrt, was verkehrstechnisch notwendig und zugleich volkswirtschaftlich vertretbar
ist.

2013 hat das Land Niedersachsen eine Liste von Projekten für den Bereich Straße
angemeldet. Darunter sind auch Alternativen zu Neubauvorhaben. Diese gilt es weiter
zu entwickeln und in den kommenden Debatten zu stärken.

Ausbau B4 statt Neubau A39

Statt zwischen Wolfsburg und Lüneburg eine neue Autobahn zu bauen, setzen wir uns
für einen Ausbau der B4 ein, der geeignet ist die Pendlerstöme aufzunehmen. Diese
Maßnahme ist die volkswirtschaftlich sinnvollere Alternative zur A39 und bedeutet
einen weitaus geringeren Eingriff in den Naturraum. Bei allen damit verbundenen
Maßnahmen sind die Varianten zu nutzen, die die geringsten negativen Auswirkungen
auf Natur, Umwelt, das Landschaftsbild und die Belange der davon betroffenen
Gemeinden haben.

Alternative zur Küstenautobahn

Ein Weiterbau der A20 würde nur vergleichsweise geringe Verkehrsströme aufnehmen.
Es besteht ein fragwürdiges Kosten-Nutzen-Verhältnis, weshalb eine Neubewertung der
prognostizierten Verkehrsströme nötig ist. Im Kernnetz der 9 Transeuropäischen
Korridore (TEN-T) ist die A20 nicht mehr enthalten. Die tatsächlichen Daten der
vorhandenen Nutzung der bereits fertiggestellten Abschnitte der A20 in den neuen
Bundesländern zeigen deutlich, dass zwischen euphorischen Prognosen und der harten
Realität Welten liegen. Statt von 15.000 prognostizierten Fahrzeugen pro Tag wird dort
die A20 nur von etwa 9.000 Fahrzeugen genutzt. Ein Wert, der mit einer Landesstraße
abgewickelt werden kann.

Gemeinsam mit den Grünen in Schleswig-Holstein setzen wir uns für die Entwicklung
einer alternativen Route ein, die vorhandene Strecken besser vernetzt und dort, wo es
notwendig ist, ergänzt und ausbaut. Alternativ zur Tunnellösung ist die
Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit einer Fährverbindung zwischen Brunsbüttel und
Cuxhaven in zwei aktuellen Gutachten des Landes Niedersachsen hinreichend belegt.

Moratorium Neubaumaßnahmen

Alleine für den Erhalt der Bundesfernstraßen in Niedersachsen sind jährlich 200
Millionen Euro notwendig. Solange die notwendigen Sanierungen und Verbesserungen
im bestehenden Infrastrukturnetz nicht abgearbeitet sind, halten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Einstieg in weitere Neubauvorhaben für nicht verantwortbar. In diesemSinne setzen wir uns für ein Neubaumoratorium ein.

Im Interesse einer gewissenhaften und an Sachpunkten orientierten Überprüfung aller
anderen von der CDU/FDP-Vorgängerregierung vorangemeldeten
Straßenbauplanungen sowie der Umsetzung ökologisch und ökonomisch sinnvoller
Alternativen begrüßen es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass das Land Niedersachsen
eine eigene Bewertung mit landeseigenen Kriterien vornehmen wird, um eine
Prioritätenliste für die angemeldeten Projekte herzustellen. Bei der Definition dieser
Kriterien sind ökologische Belange ebenso wie eine transparente Prüfung des Kosten-
Nutzen-Faktors deutlich stärker zu werten, als es die Bundeskriterien leisten.
Die Bewertung der niedersächsischen Projekte muss durch eine unabhängige Stelle
erfolgen.

Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode